Dieser Zustand ist ein Übergang, der wenige Wochen, aber auch etliche Monate dauern kann,
je nach der Art der Insekten. Er hat von seinem Wesen her etwas zutiefst Meditatives:
In der Einsamkeit und der Stille kommt ein Lebewesen zu sich selbst, findet seine ihm vorgegebene Form.
Und auch, wenn es sie gefunden hat, wird sie in einem letzten Sinn nicht zu Ende entwickelt sein.
Im Kreislauf des Lebens wird es immer wieder Übergänge geben,
sehr häufig in gänzlich unbekannte Zonen hinein. Der letzte dieser Übergänge wäre der Tod.
Dieser meditative Aspekt ist der Künstlerin besonders wichtig. Sie betont ihn z.B. durch die Art,
wie die Bilder auf dem Bildschirm einander in ruhigen Überblendungen ablösen.
Sie zeigen einzelne Phasen des Aufbrechens, ein lautloses Gleiten und Innehalten,
das keine Kraft an hektische Betriebsamkeit oder forciertes Vorgehen verschwendet.
Und dennoch liegt viel innere und äußere Kraft in diesem Vorgang, muss der Schmetterling
doch seinen Weg aus der engen Zelle finden - hinein in einen Raum,
in dem er die Flügel entfalten kann. In diesem Sinne ist Geborenwerden augenscheinlich ein Kraftakt.
Die im Video gezeigte Befreiung aus dem Kokon war keine öffentliche Performance.
Für die Künstlerin handelt es sich dabei um einen sehr persönlichen Prozess -so wie
ja alle Wandlungen und Veränderungen individuelle Vorgänge sind,
die sich über längere Zeiträume erstrecken und ihrem eigenen Rhythmus, ihrer eigenen Zeit folgen.
Dem entspricht, dass sich die Künstlerin sehr viel Zeit für die Erarbeitung ihres Themas
und ihrer Werke nimmt. Gerade, was am Schluss so einfach aussieht, hat oft
eine sehr komplizierte Geschichte. Wahrheiten lassen sich nicht aus Automaten ziehen.
Die Performance weist insofern auf eine Grundgegebenheit des Menschen hin,
die zu bewahren lebenswichtig ist. Es besteht ja die Gefahr,
dass wir dieses Werden und Wandeln in der Stille,
dieses private Refugium zur Befreiung von abgelebten Formen verlieren.
Ich möchte mit der Künstlerin festhalten: Die Befreiung vom Kokon geschieht in der Stille.
Drei Fotos sind die nächsten Stationen unseres Rundgangs; sie setzen die Videoschau in einem anderen, aber verwandten Medium fort. Sie blicken in verschiedene Richtungen: nach vorne und zurück. Nach vorne weist der endgültige Ausbruch aus dem Kokon; es ist eine Handlung, die noch nicht abgeschlossen ist. Die Geschichte wird weitererzählt werden, wird sich entwickeln. Durch bewusst unscharfe Bildelemente wird die Aussage gewissermaßen verschleiert und auf die Ebene des Abstrakten und Allgemeinen gehoben. >weiter