Was wir nicht wahrnehmen, ergänzt unsere Fantasie. Sie wird nicht bedient und gefüttert, sondern muss ganze Arbeit leisten. Daran kann sie wachsen, und damit wächst das kreative Potential des Menschen. Solche Darstellungsweisen lenken nicht ab und schweifen nicht ab: Weniger ist mehr.
Ähnliches gilt auch für den Schwarz-Weiß-Film, der zudem eine räumliche Ausleuchtung
ermöglicht und das stehende Bild in Fluss bringt. Es bleibt auch bei ihm Vieles sozusagen
verschwiegen: die Farben, der reale Raum, die reale Zeit. Und doch ist alles da, was wichtig ist.
Manchmal ist es wichtig, nicht alles zu sagen und nicht alles zu zeigen.
Wie denn anders könnten Kunstwerke unsere Aufmerksamkeit länger als einen müden Blick
lang fesseln?
Wie im Leben ist in der Kunst, wie ich meine, Verschwiegenheit eine Tugend.
Zurück zu den Objekten in dieser Ausstellung.
Wir haben hier noch ein gutes Stück Weg vor uns; es ist der Weg in eine weitere Dimension.
Denn was hier so statisch wirkt und nur durch Luftzüge zu einer ruhigen Bewegung gelangt,
ist Teil eines sehr hintergründigen Geschehens und einer unergründlichen Tiefe.
Es ist das Leben von Licht und Schatten.
Dass feste Körper Schatten werfen, ist uns von unserer Kindheit an vertraut.
Dass wir Schattenspiele spielen können, ebenfalls. Und dass der Schatten der verträgliche Teil
der Sonnenglut ist, lernen wir ebenfalls sehr früh. Mit anderen Worten:
Das hellste Licht wirft den tiefsten Schatten, Schwarz und Weiß stehen in einem
unauflösbaren Zusammenhang.
Die flachen Objekte hängen ein Stück von der Wand weg und zeigen das Schattenbild
ihrer festen Form. Dieses Schattenbild erscheint wiederum in der festen Form der Schablone,
des Moduls, das ein dreidimensionales Objekt bildet.
Was nicht materiell ist, der Ausschnitt, erscheint materialisiert.
Und was Materie ist, erscheint unkörperlich als Schatten.
Materie und Geist im Wechselspiel, Teil ein- und derselben Wirklichkeit.
Von bestimmten Punkten im Raum aus können Spiegelungen der gegenüberliegenden Objekte
auf Glasflächen wahrgenommen werden, sodass das Wechselspiel von realem und virtuellem Bild
eine weitere Variante hervorbringt.
Würde Tageslicht auf die Objekte fallen, wäre die Wirkung erheblich stärker,
denn die Schatten würden mit dem Sonnenstand wandern und die festen Körper mit Bewegungen
umspielen.
Das ist ein Punkt, der mich an dieser Ausstellung besonders fasziniert und berührt.
Wir sehen, was sichtbar ist, und wir nehmen wahr, dass das Geistige, obwohl nicht greifbar,
in engster Verwandtschaft zum Körperlichen lebt.
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