Papiermuseum Gleisweiler

 
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Freudenreich 11
 


Freudenreich 12
 

In der Reihung der Schablonen und ihrer Zusammensetzung zu neuen Objekten wird ein modulares Prinzip deutlich. Die nun entstandenen Objekte sind freilich keine beliebig reproduzierbaren Teile, sondern bleiben Originale. Sie bleiben Individuen, die sich aus ihrem Ursprung gelöst und ein eigenes Leben begonnen haben.
Eberhard Freudenreich bezeichnet seine Skulpturen sehr zutreffend als „dreidimensionale Schnittformen”.
Er bleibt aber auch der eher reliefartigen Komposition treu, indem er zum Beispiel Schnittblätter hintereinander anordnet. Bei einigen Arbeiten lassen sie sich sogar gegeneinander verschieben, sodass verschiedene Raumwirkungen erzielt werden können.

3. Die Bildlogik ist auch eine Lebenslogik

Wer sich vor diesem Hintergrund in die Ausstellung vertieft, wird menschliche Grundgegebenheiten entdecken. So zum Beispiel die Freude am Spiel, die Lust an der Erfindung immer neuer Formen. Und vor allem die Tatsache, dass das Leben ein Prozess der Individualisierung, der Verständigung und der Kommunikation ist. Eins lebt mit dem anderen auf dem Weg zum eigenen Ich. Der Mensch verlässt den heimatlichen Ursprung, um eine eigene individuelle Heimat zu finden und zu gestalten. Solche Heimaten spiegeln die flachen Wand-Objekte einerseits und die hängenden Objekte andererseits - und zwar in beidem: in ihrer Verschiedenheit wie in ihrer Verwandtschaft.

Das Bindeglied ist das einzelne Modul, das einmal als negative und einmal als positive Form begegnet. Die Bildlogik ist eine Lebenslogik. Das Leben ist zwischen Gegensätzen ausgespannt; in ihrem Kräftefeld entwickelt es sich.
Durch die Anordnung weniger polarer Grundelemente entsteht im Raum ein neues System.
Dieses System ist komplex. Doch weil es nicht aus bunt zusammengewürfelten Teilen besteht, sondern auf wenige Grundelemente reduziert ist, wirkt es nicht chaotisch, sondern es zeigt eine innere und äußere Ordnung.
Manchmal genügt tatsächlich sehr wenig, um viel zu sagen.

Für diese Ausstellung wurden Objekte ausgewählt, die sich konsequent auf Schwarz und Weiß beschränken. Eberhard Freudenreichs farbige Holzschnitte wurden hier (auch aus Platzgründen) ausgeklammert. Das erleichtert es dem Publikum, den konzentrativen, verdichtenden Grundzug seiner Arbeiten wahrzunehmen. Alle Farben fehlen, das heißt, diese Objekte abstrahieren gerade jenen Aspekt der Wirklichkeit, der sie besonders sinnlich und gefällig macht. Alle Zwischentöne fehlen; es gibt nur den totalen Kontrast zwischen Schwarz und Weiß, Hell und Dunkel.
Es ist eine abstrakte Gegenwelt zu der entfalteten Welt, in der wir leben. Insofern wirken diese Objekte mit ihrem Verzicht auf die Befriedigung spektakulärer sinnlicher Bedürfnisse wie eine Konsumverweigerung. Sie unternehmen nicht den geringsten Versuch, durch pompösen Auftritt oder grandiose Ausstattung zu glänzen. Sie lassen jegliches falsche Pathos, alle nur denkbaren falschen Töne beiseite, schwelgen nicht in üppigen Breitwandformaten und protzen nicht mit Dolby-Surround.

Ich gestatte mir an dieser Stelle eine kleine Reminiszenz an Zeiten, als das bescheidene Darstellen mit einfachen Mitteln Wirkungen entfaltete, die heutiger Darstellungsperfektion in mancher Beziehung überlegen waren.
Als Beispiel sei der Scherenschnitt erwähnt, der zur Volkskunst wurde und noch heute da und dort gepflegt wird. Eine reine Schwarz-Weiß-Technik, lediglich auf Konturen beschränkt und dennoch imstande, komplexe Sachverhalte zu illustrieren.    >weiter

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