Papiermuseum Gleisweiler

 
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Irmgard Potthoff bereitet vor uns - den Betrachtern - mit den hier gezeigten Collagen, Objekten, Reliefs und der Installation ihre Sicht und Erfahrung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf, und bringt uns diese ausgesprochen humorvoll nahe.
Das Phänomen Zeit in diesem Moment, jetzt - hier in diesem Augenblick - begreifbar zu machen und somit festzuhalten, ist das aktuelle Thema des hier gestalteten Raumes. Zentrum dieses Raumes ist die große Installation, die der Ausstellung den Namen gab:
„Wie im Flug ...”
Wer sich mit ihr vertraut machen will, muss um sie herumgehen, sie durch- bzw. unterwandern. Theoretiker der Kunstgeschichte haben für Arbeiten dieser Art die Bezeichnung „Environment” oder Raumkunstwerk etabliert.
Wir sehen eine „Architektur in der Architektur”, die einem umgekehrten Gewölbe gleicht, das mit dem umgebenden - dem realen - Gewölbe korrespondiert. Ein schleierartiges Fadensystem tief hängender Leitungen - vereisten Stromleitungen bzw. Überlandleitungen ähnlich - schwerelos, von seltsam immateriellem Charakter - bedingt durch unterschiedliche Stärke und Farbigkeiten des Materials. Die Fäden lassen jegliche Stabilität vermissen, beschreiben ein ständiges Fließen, ohne Anfang und ohne Ende - eine nicht endende Bewegung.
Dieser „andauernde Fluss” wird flankiert durch sich aufeinander beziehende Objektgruppen. Der Werkstoff ist bekannt, die Farbigkeit dem Zufall des verarbeiteten „Zeit-” bzw. „Zeitungs-” Stoffes geschuldet.

Die unterschiedlich großen Garnknäuel aus Zeitungspapierschnüren könnten als Anfang bzw. Ursprung all der hier zu betrachtenden Objekte zu sehen sein. Sie bilden hierfür das Potential, den Urstoff. Aus dem recycelten Material überholter und überlebter Meldungen wird der Stoff zur Verbildlichung von Denkanstößen und neuen Schöpfungen. In unserem Fall könnten sie die Brutobjekte sein, aus denen die „Zeit-Vögel” schlüpfen oder im übertragenen Sinn die Inkubationsobjekte für Neues; vielleicht spinnt eine Norne den Schicksalsfaden.

Reliefartige Dreiecksformen - befreit von der ihnen eigenen grafisch bedingten Starre - werden plastisch und beweglich durch die unterschiedliche Dichte des von den Fäden eingeschlossenen Raum„körpers”. Sie gleiten oder segeln - Vögel mit ausgebreiteten Schwingen assoziierend - an den Wänden entlang, lösen sich von ihnen und man spürt bzw. sieht förmlich, dass sie auch davon fliegen könnten. Die Werkgruppe heißt „Forttragen” ... und unwillkürlich steht die Frage im Raum, was denn da fortgetragen werden soll?

Hatten sich diese vogelähnlichen Objekte bereits von der Fläche entfernt, verharren die drei kugelförmigen plastischen Körper auf der weißen Konsole eher in einem Zwischenstadium. Fäden in lockerer Anordnung durchkreuzen in unterschiedlicher Dichte den inneren Raum. Dessen Volumen wird durch eine scheinbar spielerisch locker anmutende, dem Zufall des Fadenverlaufs entsprechende Umrisslinie begrenzt. Während der Kugelkörper in der Mitte leicht und durchscheinend wirkt, gewinnt er bei den beiden äußeren mit zunehmender Materialdichte an körperlicher Präsenz, ein Eindruck, der durch die damit dunkler werdende Farbigkeit unterstrichen wird (dunkler und dadurch schwerer). Man kann diesen Prozess auch umgekehrt interpretieren: vom Schweren zum Leichten. Die Objekte befinden sich in einem Zustand, der zur Entmaterialisierung oder zur scheinbaren Leichtigkeit des Fliegens hinführt. Diese Werkgruppe heißt „Schwebezustand”.

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